BGR Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

Pleistozäne subglaziale Rinnen in Norddeutschland – Einfluss des geologischen Untergrunds auf die Rinnenbildung und Reaktivierung verfüllter Rinnen

Land / Region: Deutschland

Projektanfang: 01.01.2021

Projektende: 31.12.2025

Projektstand: 04.03.2025

English Version

Eiszeitliche Erosionsprozesse werden als besonders relevant für die Langzeitsicherheit eines Endlagers angesehen. Während der Eiszeiten wurden durch das Schmelzwasser unter den Eisschilden tiefe Rinnen in den Untergrund eingeschnitten. In Norddeutschland erreichen diese subglazialen Rinnen große Tiefen, sind aber heute an der Erdoberfläche kaum noch sichtbar. Die Entstehung und Verbreitung dieser subglazialen Rinnen sind ein wichtiges Forschungsthema für die Langzeitsicherheit in der Endlagerung. Das Ziel unserer Untersuchungen ist die Verbesserung der Prognosemöglichkeit einer zukünftigen Rinnenbildung. Ein Schwerpunkt ist dabei der Einfluss des geologischen Untergrundes auf die Rinnenbildung und Reaktivierung verfüllter Rinnen.

Während der Eiszeiten kam es in weiten Teilen Norddeutschlands zur Bildung subglazialer Rinnen. Es ist zu erwarten, dass es auch während möglicher zukünftiger Eiszeiten wieder zur Bildung subglazialer Rinnen kommt. Die gegebenenfalls tiefgreifende Erosion durch die Rinnenbildung hätte das Potenzial, die Integrität der geologischen Barriere eines Endlagers zu beeinträchtigen. Das Standortauswahlgesetz schreibt eine minimale Tiefenlage eines einschlusswirksamen Gebirgsbereichs (ewG) unterhalb der größten zu erwartenden Tiefe von exogenen Prozessen, deren direkte oder indirekte Auswirkungen zur Beeinträchtigung der Integrität eines ewG führen können, vor. Subglaziale Rinnen werden dabei indirekt als „eiszeitlich bedingte intensive Erosion“ genannt (StandAG § 23 Abs. 5 Nr. 3).
Die Bildung subglazialer Rinnen durch Schmelzwasserabfluss unter hohem Druck ist einer der am tiefsten reichenden Erosionsprozesse überhaupt. In den ehemals vergletscherten Gebieten Norddeutschlands sind subglaziale Rinnen mit Tiefen von 100 bis 300 m weit verbreitet, maximal sind Tiefen von fast 600 m bekannt. Trotz einer langen Forschungsgeschichte bestehen noch zahlreiche offene Fragen zur Genese und Entwicklung der subglazialen Rinnen und ihren Füllungen. Subglaziale Rinnen zeigen häufig eine komplexe Entwicklung mit wiederholten Phasen der Erosion und Sedimentation, die sich über mehrere Eiszeiten erstrecken kann.

Fragestellung

In diesem Projekt werden die Entstehung und Verbreitung pleistozäner subglazialer Rinnen in Norddeutschland untersucht. Das Ziel des Projektes ist die Verbesserung der Prognosemöglichkeit einer zukünftigen Rinnenbildung. Da der Verlauf zukünftiger Eiszeiten nicht vorhergesagt werden kann, untersuchen wir die Verbreitung und den Aufbau der vorhandenen subglazialen Rinnen, um ihre Bildungsbedingungen zu verstehen. Die Ergebnisse können dann verwendet werden, um zu bestimmen, in welchen Regionen besonders mit einer zukünftigen Rinnenbildung zu rechnen ist.

Im Rahmen dieses Projektes befassen wir uns unter anderem mit folgenden Fragen:

  • Welchen Einfluss hat der geologische Aufbau des Untergrunds (z. B. Lithologie, Störungen, Salzstrukturen) auf die Bildung subglazialer Rinnen und deren Eigenschaften (z. B. Verbreitung, Geometrie, Dimensionen)?
  • Welche Faktoren kontrollieren das Einschneiden von subglazialen Rinnen und die Reaktivierung bereits vorhandener Rinnen während wiederholter Eisvorstöße?
  • Wie ist die Entwicklung der subglazialen Rinnen und ihren Füllungen verlaufen?
  • Kann die Bildung subglazialer Rinnen während zukünftiger Eiszeiten prognostiziert werden?

Ergebnisse und Veröffentlichungen

Um den Einfluss des Untergrundes auf die Rinnenbildung besser zu verstehen, haben wir die Verbreitung, Orientierung und Tiefe der eiszeitlichen subglazialen Rinnen mit den geologischen Strukturelementen des Norddeutschen Beckens verglichen. Insbesondere Verwerfungen und Salzstrukturen wurden häufig mit verstärkter Erosion in Verbindung gebracht. Unsere Analyse zeigt allerdings, dass Verwerfungen und Salzstrukturen keine eindeutigen Indikatoren für das Einschneiden subglazialer Rinnen sind. Die Ergebnisse sind in der internationalen Fachzeitschrift „Boreas“ veröffentlicht:

https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/bor.12694

Die Abbildung zeigt zwei Karten zur Verbreitung subglazialer Rinnen in Norddeutschland. Die tiefsten Rinnen treten in einem etwa Nordwest-Südost verlaufendem Bereich entlang der Achse Hamburg – Berlin auf.Linke Seite: Übersichtskarte der Verbreitung eiszeitlicher subglazialen Rinnen in Norddeutschland. Die meisten Rinnen sind heute vollständig mit Sedimenten verfüllt und daher an der Erdoberfläche nicht mehr sichtbar. Rechte Seite: Vereinfachte Karte der maximalen Rinnentiefen. Die Rinnenverläufe sind auf ihre Talwege beschränkt und anhand der maximal erreichten Erosionstiefe zu fünf Tiefenzonen zusammengefasst. Die Tiefenzone können helfen, eine mögliche zukünftige Erosionstiefe abzuschätzen Quelle: BGR

Im Rahmen des von der Bundesgesellschaft für Endlagerung beauftragten Projektes „SUCHTIEFE“ haben wir eine neue Übersichtskarte der Verbreitung subglazialer Rinnen in Norddeutschland erstellt. Die regionale Variabilität der maximal erreichten eiszeitlichen Erosionstiefe wurde in einer „Tiefenzonenkarte“ dargestellt. Diese Tiefenzonen können dazu dienen einen regionalen Sicherheitsaufschlag zur Mindesttiefe eines Endlagers abzuleiten. Die Ergebnisse sind in einem ausführlichen Abschlussbericht dargestellt:

Pleistozäne subglaziale Rinnen: Tiefe, Verbreitung und Bedeutung für die Mindesttiefe eines Endlagers (2023) (PDF, 36 MB)

Die erstellte Verbreitungskarte der eiszeitlichen Rinnen, die Tiefenzonenkarte und ihre Verknüpfung zur regionalen Geologie Norddeutschlands haben wir außerdem in „E&G Quaternary Science Journal“ der Zeitschrift der Deutschen Quartärvereinigung e. V. (DEUQUA) veröffentlicht:

EGQSJ – The past is the key to the future – considering Pleistocene subglacial erosion for the minimum depth of a radioactive waste repository.

Neben der Bildung subglazialer Rinnen gibt es weitere glaziale Prozesse, die bei der Standortauswahl berücksichtigt werden sollten. Eine Zusammenfassung zu Vorstoß und Rückzug von Eisschilden und Gletschern, Bildung subglazialer Rinnen und glazitektonische Deformation haben wir in einem Kurzbericht veröffentlicht:

BGR-Kurzbericht: Beschreibung glazialer Prozesse für die Standortauswahl: Vorstoß und Rückzug von Eisschilden und Gletschern, Bildung subglazialer Rinnen und glazitektonische Deformation

Tagungsbeiträge

Die Ergebnisse des Projekts werden regelmäßig auf deutschen und internationalen Fachtagungen vorgestellt. Im Dezember 2021 haben die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) eine zweitägige Fachkonferenz unter dem Titel „Subglazialen Rinnen und ihre Bedeutung für die Langzeitsicherheit eines Endlagers für radioaktive Abfälle“ veranstaltet. Im Nachgang des „Rinnen-Workshops“ wurde ein Sonderband der Fachzeitschrift „E&G Quaternary Science Journal“ herausgegeben, in dem einige der Workshop-Beiträge veröffentlicht sind:

Workshop zum Thema „Subglaziale Rinnen“

Auf der (virtuellen) Jahrestagung der „Deutschen Quartärvereinigung e. V.“ (DEUQUA) 2021 wurde der Kenntnisstand zu subglazialen Rinnen und ihre Bedeutung für die Endlagerung in einem eingeladenen Abendvortrag dargestellt:

Aufzeichnung des Vortrags: BGR-Beitrag zur Jahrestagung der Deutschen Quartärvereinigung e. V. (DEUQUA) am 30.09.2021: Was haben Eiszeiten mit der Sicherheit eines Endlagers zu tun?

Im Rahmen des „2. Forum Endlagersuche“ (2023) wurden die Ergebnisse ebenfalls zusammengefasst: Erste Ergebnisse des Projekts wurden in „E&G Quaternary Science Journal“, der Zeitschrift der Deutschen Quartärvereinigung (DEUQUA) veröffentlicht: Forum Endlagersuche im November 2023: BGR-Beitrag zum Thema "Subglaziale Rinnen und ihre Bedeutung für die Sicherheit eines Endlagers"

Kontakt:

    
Dr. Jörg Lang
Tel.: +49-(0)511-643-2432

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